Unsere erst Fahrt mit der deutschen Bundesbahn als gehbehinderter Mensch
- Stephan Siegmund
- 1. Sept. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Jan. 2023

Sind die Züge der deutschen Bundesbahn für Gehbehinderte Menschen einigermassen barrierefrei zu nutzen ?
Neulich haben wir beschlossen, mal zur Probe eine Station mit der deutschen Bundesbahn (hier Kurhessenbahn) zu fahren. Allein diese eine Station war schon ein Abenteuer für mich und meine Frau als Begleitung. Alleine hätte ich das nicht geschafft. Und dabei geht es nur um eine einzige Station.
Der Zug fuhr in den Bahnhof ein. Das Gefühl ist, dass etwas Mächtiges auf einen zukommt.
Die erhofften überfahrbaren Rampen fuhren in dem von mir ausgewählten Waggon nicht aus, mir mal eben einen anderen zu wählen und diesen dann noch zu erreichen, dafür reichte die Zeit und meine geistige Flexibilität nicht aus. Ich weiss nicht ob es für mich gut war dass ich nicht mit dem Rollstuhl unterwegs war. Ich drückte den Taster an der Tür. So musste ich diesen Spalt zwischen dem Waggon und dem Bahnsteig mit einem Schritt überwinden. Das kostete etwas Überwindung. Zum Glück war ich mit dem Stock und meiner Frau als Hilfestellung unterwegs und nicht mit meinem Rollstuhl. Das Niveau des Zuges war etwas niedriger als der Bahnsteig. Es war ein Schritt nach unten über einen tiefen Spalt.
Im Zug hatte ich aber sogleich einen Sitzplatz. Wenn der Zug anfährt werde ich mich wohl nicht mehr auf dem Beinen halten können. Davon gehe ich jedenfalls aus wegen der, für mich, heftigen Beschleunigung.
Wir konnten in Bad Laasphe nach einer Station schon wieder aussteigen ca. 5 km. Wieder die zu überwindende Spalte. Diesmal ohne eine Haltemöglichkeit und die automatische Tür schloss ohne das das Nötig war schneller, als es für mich zu schaffen war. Meine Frau musste eingreifen. Sonst wäre ich vielleicht in den Spalt gestürzt.
Das Bahnpersonal in Bad Laasphe wusste uns kaum Auskunft zu geben, nur wie es normalerweise gehen soll. Normalerweise klappt alles, aber was ist schon normal ? An diesem Tag gar nichts.
Die Rückfahrt, zehn Minuten nach Ankunft von uns geplant, verzögerte sich um eine Stunde. Zugausfall. Schon nach so kurzer Strecke. Das ist dann nicht so günstig für einen Gehbehinderten ohne Rollstuhl. Eine Station und schon so eine Katastrophe...
Wir wollten die Zeit dann für einen Kaffee im sitzen nutzen. Also überquerten wir die nahe Bundesstraße. Das Signal wurde für Fußgänger schon wieder rot, als ich noch auf der Straßenmitte war. Die Autofahrer hatten schon grün. Sogleich begannen Hupkonzerte von ungeduldigen Autofahrern in der dritten Reihe. Die ärgerten sich, dass die Fahrer vorn rücksichtsvoll auf uns warteten.

Ich bekam meinen Kaffee und einen kleinen Tremor wegen dem Stress. Die Herrschaften am Nachbartisch fuhren öfter Bahn. Sie hatten es in letzter Zeit noch nicht erlebt, dass es pünktlich zugeht bei der Bahn. Früher wurden alle Uhren nach der Bahn gestellt, früher vor 100 Jahren. Sie hatten jetzt schon alles erlebt: Zugverspätungen, Zugausfälle, Schienenersatzverkehr, Verpassen des Anschlusszuges, Wegfall von gebuchten Sitzen. Also ist öffentlicher Nahverkehr ein Glückspiel. Und so etwas ist noch nichts für mich. So gerne ich umweltfreundlicher unterwegs wäre, aber das geht jetzt noch nicht für mich allein. Das sagte nachher auch mein Ergotherapeut. Das sei recht mutig und blauäugig gewesen von mir.
Nach dem Kaffee ging es zurück zum Bahnhof. Der Zug fuhr auf einem anderen Gleis als angekündigt. Man bekam aber auch da keine Informationen dazu. "Nicht einsteigen" stand auf dem Zuganzeiger des richtigen Zuges. Bis er dann losfuhr.
Im Zug bekamen wir auch keine Informationen von der Schaffnerin, nur einen Anschiss und Masken, weil wir unsere eigenen Masken vergessen hatten. Nach einer Station waren wir wieder an unserem Ausgangspunkt. Also Bahn fahren werde ich allein noch nicht schaffen.
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